CAWSES II - Deutsch

2009-2013

SCOSTEP

 

Wissenschaftliche Notwendigkeit


Wir stehen an der Schwelle eines nachhaltigen Verständnisses der komplexen Umweltbedingungen auf unserem Planeten. Eine entscheidende Rolle spielen dabei physikalische Prozesse und Wechselwirkungen im Sonne-Erde System: Wie sind Veränderungen auf der Sonnenoberfläche mit Eigenschaften des erdnahen Weltraums, der Hochatmosphäre und letztendlich mit Klimaänderungen verknüpft? Wissenschaftliche Durchbrüche in diesen Gebieten hängen wesentlich von Fortschritten in der Cyber-Infrastruktur ab. Nur so kann die Wissenschaftsgemeinschaft auf internationale Datensätze, Netzwerke von Messgeräten, virtuelle Observatorien, fortgeschrittene Computeranlagen und hochkomplexe Sonne-Erde Modelle zugreifen sowie in Echtzeit interdisziplinär und über nationale Grenzen hinweg miteinander kommunizieren.  Keine einzelne Organisation kann die notwendigen wissenschaftlichen Durchbrüche alleine machen, die Messinstrumente betreiben, die Modelle erstellen und die notwendige Forschungsinfrastruktur aufbauen. Dies ist nur im Rahmen einer weitreichenden internationalen Zusammenarbeit auf Systemebene möglich.


Warum jetzt?


Im vergangenen Jahrzehnt hat ein bemerkenswerter Kapazitätsaufbau zur gleichzeitigen Beobachtung verschiedener Bereiche des Sonne-Erde Systems stattgefunden, z.B. durch die Kombination weltweiter Netzwerke von Bodeninstrumenten mit Satelliten. Begünstigt durch Fortschritte in der Computertechnik konnte eine Reihe von neuen Simulationssystemen entwickelt werden: Modelle des solaren Dynamos, gekoppelte Sonne-Erde Modelle und Atmosphärenmodelle, die Klimaänderungen mit der Hochatmosphäre und Weltraumwetter verbinden. Offene Datenpolitik und ein sich entwickelndes System von virtuellen Observatorien erlauben der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft einen breiten Zugriff auf die unterschiedlichen Datensätze. Die reine Verfügbarkeit von Daten ist aber nicht genug.


Transformative Wissenschaft


Das volle Potenzial der neuen Modelle, Instrumente und Daten für wissenschaftliche Entdeckungen kann nur durch eine dauerhafte internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit ausgeschöpft werden. CAWSES-II stellt den dafür notwendigen Rahmen zur Verfügung.  Fokus sind fundamentale „grand challenge“ Fragestellungen, die nur durch fachübergreifende Forschung beantwortet werden können. CAWSES-II unterstützt u.a. den Aufbau einer virtuellen Forschergemeinschaft, um wissenschaftlichen Fortschritt durch verbesserte Cyber-Infrastruktur anzustoßen.

CAWSES-II hat 6 Arbeitsgruppen, die sich mit den wissenschaftlichen und integrativen Fragestellungen befassen.


1. Welchen Einfluss hat die Sonne auf das Erdklima?

Solare Variabilität beeinflusst den erdnahen Weltraum und die Atmosphäre auf Zeitskalen von Minuten bis Jahrtausenden. Rückkopplungsprozesse sind ein natürlicher Teil der Geosphäre und können den direkten Strahlungseffekt der Sonne verstärken. Der Einfluss von solarer Variabilität auf das Erdklima ist eine zentrale Fragestellung des “Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC)”, und ein Punkt der nach wie vor von Politikern, Klimaskeptikern und Medienvertretern hervorgehoben wird.


2. Wie reagieren Hochatmosphäre und erdnaher Weltraum und auf ein sich veränderndes Klima?

Strahlung, chemische Prozesse und Dynamik aus der unteren Atmosphäre verursachen Störungen in der Hochatmosphäre. Ansteigende Treibhausgase kühlen die Hochatmosphäre ab (im Ggs. zur Erwärmung in der Troposphäre) und verändern deshalb die komplexen physikalischen und chemischen Prozesse in dieser Region. Beobachtungen und Modellsimulationen von Kühlungs- und Kontraktionsmustern weisen auf eine starke Verbindung mit Veränderungen in der unteren Atmosphäre hin. In letzter Zeit auftretende Veränderungen in nachtleuchtenden Wolken, jetzt erstmals mit dem AIM-Satelliten global gemessen, sind ein Resultat der niedrigeren Temperaturen in der Hochatmosphäre. Ansteigenden Treibhausgase verändern auch die Ionosphäre auf verschiedene Weise und könnten sich auch auf die Magnetosphäre auswirken. Solche Änderungen können ungeahnte Folgen für weltraumgestützte Technologien und Infrastruktur haben.


3. Wie beeinflusst kurzeitige solare Variabilität Hochatmosphäre und erdnahen Weltraum?

Variation der Sonnenaktivität, wie z.B.  Sonneneruptionen, Ausbrüche energiereicher Teilchen, koronale Massenauswürfe und Sonnenwinde verändern das Weltraumwetter auf kurzen Zeitskalen. Elektromagnetische Strahlung treibt die Ionosphäre an, während solare Teilchen mit der Magnetosphäre und Hochatmosphäre wechselwirken und sogar Störungen auf der Erdoberfläche verursachen können. Verständnis und Vorhersage von Weltraumwetter können deshalb nur durch einen Ansatz auf Systemebene verbessert werden.


4. Wie reagieren Hochatmosphäre und erdnaher Weltraum auf Wellen aus der unteren Atmosphäre?

Neue Messungen und Modellsimulationen deuten darauf hin, dass troposphärisches Wetter einen unerwartet starken Einfluss auf das Weltraumwetter hat. Elektronen- und Ionenverteilungen in der äquatorialen Ionosphäre werden offensichtlich stark von Atmosphärenwellen moduliert, die durch große tropische Wettersysteme angeregt werden und sich in die Hochatmosphäre ausbreiten. Radiowellen aufgrund von Blitzen wechselwirken mit Teilchen in den Strahlungsgürteln und verursachen eine “sichere” Zone zwischen dem inneren und äußeren Gürtel in der Magnetosphäre. Schwerewellen aufgrund von Hurrikanen und Taifunen produzieren Plasmablasen in der Ionosphäre. Inwiefern sich Atmosphärenwellen aufgrund von Wetterphänomenen auch auf die Magnetosphäre auswirken ist bislang nicht bekannt.


5. Kapazitätsaufbau

CAWSES-II wird die in CAWSES-I begonnenen Bemühungen um Kapazitätsaufbau und Ausbildung fortführen und weiter ausbauen. In Zusammenarbeit mit dem “Solar-Terrestrial Environment Laboratory” der Universität Nagoya in Japan wurde eine Reihe von Comic-Büchern entwickelt und in mehrere Sprachen übersetzt, um solar-terrestrische Wissenschaft einer breiten Öffentlichkeit, insbesondere der Jugend, nahezubringen. Weitere Comics sind in Vorbereitung.  CAWSES-II wird weiterhin internationale Konferenzen und Workshops organisieren bzw. sponsern. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Unterstützung von Wissenschaftlern aus sich entwickelnden Ländern sowie von Nachwuchswissenschaftlern und Doktoranden. CAWSES-II wird mit Wissenschaftlern aus sich entwickelnden Ländern zusammenarbeiten, um den Zugang zu Daten und  Analysewerkzeugen zu gewährleisten, und ein internationales Netzwerk von Nachwuchswissenschaftlern und Doktoranden aufbauen.


6. Virtuelles Institut

Das CAWSES-II internationale virtuelle Institut wurde aufgrund einer erfolgreichen Pilotstudie über die Organisation und Durchführung von Wissenschaft mittels Cyber-Infrastruktur gegründet. Das Institut basiert auf einer Reihe von Grundannahmen über wissenschaftlichen Fortschritt auf Systemebene: Wissenschaftler, die den Wert interdisziplinärer Forschung voll anerkennen; fokussierte wissenschaftliche Fragestellungen mit einer gemeinsamen Leitthematik für die verschiedenen Disziplinen; Wege, um die wichtigen Fragestellungen einer Disziplin Forschern einer anderen Disziplin nahezubringen, sowie die Verbindungen zwischen den Disziplinen herzustellen; Zugang zu Publikationen anderer Disziplinen; neue Methoden zur Veröffentlichung von Ergebnissen; Strukturen, um Wissenschaftler über nationale Grenzen hinaus miteinander in Kontakt zu bringen, sowie den Zugriff auf Messdaten und Modelle zu ermöglichen.


CAWSES-II konzentriert sich auf die grundlegenden Prozesse im Sonne-Erde System während der aufsteigenden Phase des solaren Zyklus 24. Nichtlineare Wechselwirkungen dieser Prozesse verursachen Effekte, die sich sowohl auf das tägliche Leben als auch auf die Gesellschaft auswirken. Der CAWSES-II Forschungsansatz dazu umfasst auch den Vergleich mit anderen stellaren und planetaren Umgebungen, um dann Rückschlüsse auf solar-terrestrische Prozesse zu ziehen.

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